Gedicht des Monats September

Fernreisen

Ein Fisch im Wasser sich verirrte
und in das Sternenmeer entschwirrte.

Ein Stern, der steil vom Himmel stürzte
und sich die Zeit im Meer verkürzte.

Ein Regentropfen, der vom Kurs abkam
und einen Umweg durch das Weltall nahm.

Ein Wind, der überm Ozean verwehte
und landete im Hof von Tante Käthe.

Und Käthe, die im Garten war,
versteckte ihn in ihrem weißen Haar.

Gedicht des Monats August

Löwen auf Helgoland

Fuhr eine Möwe, die in Afrika
mal in der Wildnis einen Löwen sah,
als blinder Passagier auf ’nem Containerschiff
vorbei am Helgoländer Kliff.
So rot hatt‘ sie noch keinen Fels im Meer gesehen.
Da war es um die Möwe schnell geschehen.
Sie ließ sich vom Containerschiff
im Wind herüberwehn zum roten Kliff
und fragte all die Helgoländer Möwen
im Ober- und im Unterland,
im Hafen und am Klippenrand:
Gibt es hier wie in Afrika auch Löwen,
die brüllen, gähnen, in der Sonne schlafen?
Moin, sagten da die Lach- und Silbermöwen,
flieg doch mal rüber an den Dünenstrand,
dort liegen sie im Sand total entspannt.
Ob Löwe, Robbe oder Hund, tun sie nicht kund,
doch wenn sie gähnen oder lauthals brüllen,
im warmen Sonnenlicht die Lungen füllen,
dann hüte dich vor ihrem Schlund.

Lyrikausflug auf die Insel

Mitte Juni durfte ich für vier Tage nach Helgoland – zu einem Lyrikworkshop mit 18 Kindern und Jugendlichen aus Bremerhaven. Während die Schülerinnen und Schüler von Cuxhaven aus auf die Insel kamen, bin ich von Büsum aus hingefahren, weil ich gerade ganz in der Nähe (in Tönning an der Eidermündung) in Urlaub war. Überfahrt: wie auf Schienen. Kein Wind, kein Seegang, nur klare Sonne und das silbern glänzende Meer. Im Workshop sind schöne Gedichte entstanden, die Rolf Stindl vom Friedrich-Bödecker-Kreis des Landes Bremen nun in einem kleinen digitalen Privatdruck zusammenfasst, als Erinnerung für alle, die dabei waren. Überhaupt: Wenn der Stindl mit seinen 83 Jahren nicht noch immer so für die Literatur und dafür, sie Kindern schmackhaft zu machen, brennen würde, gäbe es das ganze Helgoland-Projekt nicht, das nun schon seit vielen Jahren läuft.

Für mich gab es auf Helgoland noch zwei ganz besondere Höhepunkte: zum einen meinen Gang auf die Außenmole des vorderen Hafenbeckens, die man jahrelang nicht betreten durfte (und ganz offiziell ist es heute wohl immer noch nicht), wo man völlig allein am Molenkopf mitten im Meer steht und eine absolute Ruhe genießen kann, denn es ist weit und breit kein Mensch zu sehen, nur Möwen, Austernfischer und Kormorane. Das Zweite war die öffentliche Abendlesung im Museum mit Helgoländern, Touristen und Workshop-Teilnehmenden. In der Pause kam ein zehnjähriger Junge aus dem Workshop zu mir und sagte: „Ich glaub es gar nicht, dass schon 25 Minuten um sind. Mir kam es wie fünf Minuten vor.“ Und am Schluss wollten alle aus dem Seminar, dass ich noch einmal mein Gedicht „Krähen“ wiederholte. Für mich zwei wunderbare Beweise, dass ich meine jungen Zuhörer erreicht hatte und bei ihnen das Staunen auslösen konnte, was man im Gedicht alles mit Sprache zaubern kann – kra kra!

Ein Lyrikabend auf Helgoland. Mit Sprachspiel und allerlei Nonsenstexten. Das Ganze unter dem Motto: Ein Rollmops rollt sich durch das Meer. Ein hoffentlich unterhaltsames Programm für Leute von der Insel und Kurgäste, für Groß und Klein. Für alle, die den Abend nicht vor dem Fernseher im Hotelzimmer verbringen wollen. Natürlich dürfen ein paar Gedichte von James Krüss an seinem Geburtsort nicht fehlen, aber vor allem geht es um Texte aus „Die Muße der Mäuse“ und meinem neuen Gedichtband „Der Name des Glücks“, der im Oktober bei Elif erscheint. Eine kleine Vorpremiere also mit vielen skurrilen und lustigen Versen übers Meer, über Möwen, übers Baden am Strand. Das Ganze findet statt am Sonntagabend, 18. Juni um 19.30 Uhr im Museum Helgoland an der Kurpromenade im Unterland (hinter dem Schwimmbad).