Gedicht des Monats Oktober

Gewittertiere

Gestern hab ich ‘ne Katze am Himmel entdeckt,
die hat sich im Sprung weit nach vorne gereckt.
Ein riesiger Hund mit weißgrauem Fell
riss sein Maul auf zu einem lauten Gebell.
Danach ist ein Drache vorübergekommen,
sein wildes Gesicht hat wie Feuer geglommen.
Dann ist noch ein Walross aufgezogen,
das hat garantiert tausend Tonnen gewogen
und all die anderen Tiere verschluckt.
Da kriegte ich Angst, hab schnell weggeguckt.

 

Gedicht des Monats September

Spiegelbilder

Wie die Möwen gedrängt auf dem Geländer hocken,
reglos still und unerschrocken.
Doch unten im Wasser, da spiegeln sie sich,
schaukeln kopfüber im flimmernden Licht,
warten, dass sich die Scheibe der Sonne verbiegt,
ein Schatten unter das weiße Geländer sich schiebt,
dann tauchen sie ab im tiefen Blau,
schreien zum Himmel.
Ihre Stimmen sind rau.

Gedicht des Monats Mai

Diebische Möwe

Es flog eine Möwe am Fenster vorbei
und sah eine Tüte mit Fressen,
das dort zum Kühlbleiben hing.

Ich hörte nur kurz ihren lauten Schrei,
hab lesend im Sessel gesessen,
als sie sich den Beutel fing.

Fort flog sie über die Boote am Kai,
von Lust und Hunger besessen.

Die leere Tüte zu Boden ging
und ich hatte nichts mehr zu essen.

Gedicht des Monats April

Auch im Mai kein Kindergedicht wie sonst Monat für Monat auf dieser Website. Der Krieg in der Ukraine geht weiter, der russische Überfall auf das Nachbarland zählt Tausende Tote, unendliche Zerstörung. Menschen fliehen, haben alles verloren, sitzen in Kellern fest und verhungern, verdursten. Wir schauen die Bilder von fern, aus sicherem Abstand an, staunen über die grausamen Szenen, die uns unfassbar scheinen. Alles so selbstverständlich Vertraute aus unserem Leben verliert seinen Halt. Darüber habe ich in dem Text erzählt, der nun als Gedicht für den Monat Mai steht.

Bilder

Als die Scheibe zersplitterte saßen wir nicht im Café.
Es war nicht unsere Tasse die zu Staub zersprang.
Wir waren an einem anderen Ort in einem sicheren Land.
Der Krieg sah uns aus einem Fernseher zu der an der Wand hing.
Als wir die Tassen hoben schaute er uns in die Augen,
wo sich zerbombte Fassaden spiegelten
das halbe Schild mit dem Wort Café ohne Namen
und ein angesengter Stofffetzen
dessen Muster mich an das Kleid erinnerte
in dem du durch die Tür kamst mit einem Lachen.