Wie man so richtig schön schimpft

Ein altes Gedicht aus dem längst vergriffenen Band „Unsinn lässt grüßen“ ist bei meinen Lesungen immer noch ein großer Hit. Schimpfwörter sind für Kinder natürlich verlockend, Schimpfwörter machen Spaß. Und es gibt nicht nur fiese, gemeine, sondern auch witzige Schimpfwörter, die man sich leicht merken kann, weil sie zum Beispiel binnenreimen – so wie das Wort „Gückelmückel“. Wer will schon eine Gückelmückel sein, ein Hockelsockel oder ein Schnebbelbebbel? So richtig weh tun solche liebevollen und verrückt klingenden Schimpfwörter nicht, dazu haben sie einen viel zu lustigen Tonfall, etwas geradezu ironisch Gebrochenes. Und das ist ja gut so. Dann kann man mal richtig schimpfen, ohne gleich zu beleidigen oder zu mobben. Schimpfen tut gut, weil die innere Wut manchmal raus muss. Im „Kleinen Schimpfgedicht“ habe ich das mit allen Vokalen und Umlauten durchgespielt. Wie es klingt, ist in einer Aufnahme aus der Lesung am Tübinger Uhland-Gymnasium zu hören.

Der Ton ist etwas leise, also aufdrehen!

Raumsaumtraum oder Wie in Tübingen ein Gedicht entstand

6 Wörter hatten sich die Schülerinnen und Schüler des Tübinger Uhland-Gymnasiums überlegt, die in einem Gedicht vorkommen sollten, das wir im Rahmen der 1. Tübinger Kinder- und Jugendmedien-Lecture schreiben wollten. Eine nicht gerade leichte Aufgabe, denn was macht man aus den Wörtern Nikolaus, Haus, Hund, Rund, Rutsche und Traum? Eine Rutsche für den Nikolaus? Ein rundes Haus? Ein Traum mit Hund? Viel Zeit zum Nachsinnen blieb nicht, denn das Erfinden des Gedichts war ja nur ein Teil meiner Lesungsveranstaltung: maximal 40 Minuten und 100 Kinder, die ihre Ideen vorbringen wollten. Und was für Ideen! Was ist ein Nikolausbaum? Ist der rot wie ein Nikolausmantel? Und was ist ein Windhausraum, der sich akustisch so schön in die Zeilen fügte, dass das Wort sofort zu leuchten begann? Ach, und reimt nicht Raum auch auf Badeschaum? Im Gedicht ist doch alles möglich, alles vorstellbar. So purzelten die Ideen am laufenden Band durch die Aula. Und es entstand ein wunderbares kleines Gedicht. Zum Schluss blieb nur die Frage, wie soll das Gedicht heißen? Ein großartiger Vorschlag griff ein paar Reimwörter auf und lautete „Raumsaumtraum“. Wunderschön. Die meisten Kinder wollten es aber doch etwas konkreter, so heißt das Gedicht nun „Der Hundetraum“. – Und was hätte ich, allein zu Hause, aus den 6 Wörtern für ein Gedicht gemacht? Das wollten die Kinder auch noch wissen. Ich habe es ebenfalls in nur 40 Minuten versucht. Und die Kinder staunten, dass aus den gleichen 6 Wörtern zwei ganz verschiedene Gedichte werden können.

Tübingen – der Beginn einer neuen Zeit

Es ist zwei Jahre her seit meiner letzten großen Lesung vor Kindern. Und was war das für ein Bibbern, ob unter den gegebenen Umständen nicht wieder die ganze Planung corona-bedingt zunichtegemacht werden würde. Aber am Ende gab es sie wirklich: die 1. Tübinger Kinder- und Jugendmedien-Lecture am 9. und 10. Dezember. Selbst die Bahn bequemte sich, ausnahmsweise pünktlich zu sein – das war ein günstiges Omen. Und in Tübingen dann erst Gespräche mit Studierenden über die Frage, wie man Kindern Gedichte vermittelt, und schließlich am zweiten Tag eine Lesung in der Aula des dortigen Uhland-Gymnasiums mit allen 5. Klassen – also gut 100 Schülerinnen und Schülern. Ja, das war es, was ich vermisst hatte, dieses Gefühl, den Kindern nahe zu sein, sie zu erreichen mit meinen Texten, sie hervorzulocken, mit Wörtern zu spielen beim Schreiben eines eigenen Gedichts. So viele Ideen, so viel Begeisterung und Freude. Am Ende war die Zeit verflogen wie nichts. Ich hatte noch so viele Sachen präsent … für alle Fälle. Aber die sind fürs nächste Mal. Ein ganz großer Dank gilt der Lehrerin und Dozentin Marisa Eifler, aber auch ihren Studierenden und einer kleinen Gruppe von Siebtklässlern, die alles perfekt und liebevoll vorbereitet hatten und sogar zwei Büchertische in der Buchhandlung Quichotte und im Vividus Buchkaffee mit meinen Sachen aufgebaut hatten. Von solchen Lesungen kann ich gar nicht genug kriegen!

Noch ein blaues Buch in diesem Herbst

Es scheint meine blaue Periode zu sein. Erst der Gedichtband „Die Geschichte des Hasen endet im Topf“, dann der von mir herausgegebene – und leider schon restlos vergriffene – Privatdruck „Dunkel war’s, der Mond schien helle“, in dem 11 Dichterinnen und Dichter das alte Volksgut-Gedicht fortgeschrieben haben, und nun die kleine Verserzählung „Das große Herz der kleinen Elfe“ von Matt Haig, das ich in deutsche Reime übertragen habe. Ein wunderschönes kleines Geschenkbuch, nicht nur für Kinder. Denn diese Elfe, die durch einen Hexenfluch gezwungen ist, immer die Wahrheit zu sagen, findet am Ende doch Freunde und ein Zuhause, gerade weil sie die Wahrheit sagt. Eine wunderbar witzige und liebevoll gestaltete Geschichte. Das kleine HC-Buch im Format 12 x 17,5 cm kostet nur 11,00 € und ist bei dtv erschienen.

Mondschein über einem dunklen, leeren Lager

Es ist vorbei. Das kleine Lager der 66 Hefte „Dunkel war’s, der Mond schien helle“ ist geleert, die letzten Rechnungen sind geschrieben und die allerletzten Sendungen verpackt. Wer jetzt noch bestellen will, kommt leider zu spät. Was für ein toller Zuspruch für das von 11 Dichterinnen und Dichtern fortgeschriebene und auf 33 Strophen erweiterte berühmte Volksgut-Nonsensgedicht. In gut 10 Tagen war die ganze Auflage weg. Das Projekt hat so viel Spaß gemacht – das gemeinsame Schreiben und Überdenken, die vielen Ideen zur Gestaltung, die Auswahl der Papiere für innen und außen, der Druck, das Falzen der Bögen für die japanische Broschur und schließlich das Binden der schmalen Buchblöcke zu fertigen Heften bei Buchbinder Kurt Neumann in München-Pasing. Man möchte am liebsten gleich ein weiteres Projekt starten mit all der Erfahrung aus dem kleinen blauen Lehrstück. Aber das steht in den Sternen. Hier noch ein Bild von den vielen Überlegungen und Entwürfen zu dem Privatdruck, der anfangs ein Leporello werden und auch mal ein gelbes Cover bekommen sollte. Ein Dank geht an dieser Stelle an meinen Mitstreiter über längere Zeit, Kristian Wachinger, der sich u. a. die schönen großen Lettern in den Textzeilen ausgedacht hat.